Eine Branche in Not: Dirk Reinsberg im Gespräch mit Getränke News über die Auswirkungen der zweiten Welle

Eine Branche in Not: Dirk Reinsberg im Gespräch mit Getränke News über die Auswirkungen der zweiten Welle

Die zweite Corona-Welle rollt – mit verheerenden Folgen für die Gastronomie und damit auch den Getränkefachgroßhandel (GFGH). Das gerade verabschiedete neue Hilfspaket der Bundesregierung werde nicht reichen, um das Schlimmste zu verhindern, meint Dirk Reinsberg. Getränke News sprach mit dem GFGH-Bundesverbandschef über eine Branche in Not.

Getränke News: Die Corona-Pandemie gibt – nach einer leichten Entspannung im Sommer – wieder Anlass zu großer Sorge und erinnert an die schlimme Situation im Frühjahr: Angesichts des weitgehenden Lockdowns fürchteten in der Umfrage Ihres Verbands vom April über 40 Prozent um die Existenz. Wie ist denn der GFGH bisher durch die Krise gekommen?

Reinsberg: Das ist sehr unterschiedlich. Händler, die vor allem den Lebensmittelhandel beliefern oder eigene Märkte betreiben, sind im Allgemeinen gut oder zufriedenstellend über den Sommer gekommen. Die Kollegen hingegen, die stark vom Gastronomie- und Veranstaltungsgeschäft leben, für die ist die Lage teilweise desaströs. Da sehen wir Rückgänge von 50, 60 und mehr Prozent. Das kann sich kein Unternehmen lange leisten. Hier und da wird es ernsthafte Gespräche geben, wie es weitergeht.

Getränke News: Mit der „Überbrückungshilfe II“ bringt die Bundesregierung jetzt ein weiteres Corona-Hilfspaket für kleine und mittelständische Unternehmen an den Start. Wie groß ist der Nutzen des Pakets für die Gastronomie- und Veranstaltungsbranche, von
deren Wohlergehen der GFGH ja direkt abhängt?

Reinsberg: Man muss das Paket im Zusammenhang mit den Maßnahmen sehen, die die Bundesregierung sonst noch getroffen hat: Eines der entscheidendsten Elemente ist das Kurzarbeitergeld, das bereits im August bis Ende 2021 verlängert wurde. Das ermöglicht Unternehmen schon einmal, in schwierigen Zeiten ihr Personal zu halten. Zur Entlastung trägt auch bei, dass Unternehmen Sozialversicherungsbeiträge zurückerstattet bekommen können. Jetzt kommt noch die so genannte „Überbrückungshilfe II“ hinzu; dahinter stehen immerhin 25 Milliarden Euro, die an in Not geratene Unternehmen aller Branchen verteilt werden können. Darin wurden einige Webfehler, die das erste Hilfspaket noch hatte, repariert: Bekanntlich waren die Hürden für eine Beantragung anfangs sehr hoch: Kleinstunternehmen und Soloselbständige konnten die Leistungen gar nicht in Anspruch nehmen. Auch die Grenzen bei den  Umsatzrückgängen wurden abgesenkt: Von Hilfen können jetzt schon Unternehmen profitieren, die von April bis August 30 Prozent Rückgänge hatten. Zuvor musste der Verlust bei mindestens 50 Prozent liegen. Nicht zuletzt wurden die Zuschüsse erhöht, die an einzelne Betriebe ausgezahlt werden können. Und wir sprechen hier ausschließlich von Summen, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Wenn es den betroffenen Gastronomen durch das neue Paket besser geht, profitiert davon auch der Getränkefachgroßhandel.

Getränke News: Wird das aus Ihrer Sicht reichen, um das Schlimmste zu verhindern?

Reinsberg: Nein, das wird nicht reichen. Die Situation in der Gastronomie spitzt sich ja gerade noch einmal extrem zu. Zu den dramatisch steigenden Infektionszahlen kommt, dass die Gäste wegen der kälteren Witterung nicht mehr draußen sitzen können. Aktuell gibt es zudem vielerorts immer mehr Einschränkungen wie Sperrstunden und Alkoholverbote, die die Handlungsspielräume weiter eingrenzen. Wenn eine Gaststätte um 21 Uhr oder früher schließen muss, kann der Wirt vielleicht jeden Tisch nur einmal am Abend belegen. Es ist die Frage, ob es sich dann überhaupt lohnt zu öffnen. Das Ganze kommt am Ende einem schleichenden Lockdown gleich.

Getränke News: Wie könnte es also weitergehen?

Reinsberg: Die Überbrückungshilfe II läuft bis zum Jahresende. Dann kommt eine weitere Durststrecke: Januar bis März sind ohnehin schlechte Monate für die Gastronomie. Wer bis dorthin überlebt, wird spätestens dann in noch größere wirtschaftliche Schwierigkeiten
geraten. Wenn wir in Zukunft noch Gastronomiebesuche und Veranstaltungen genießen wollen, werden wir weitere Hilfen für die gesamte Branche und ihre Partner brauchen. Das weiß aber auch die Bundesregierung: Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet bereits an
einem weiteren Hilfspaket.

Getränke News: Wo sehen Sie Schwächen, wo müsste nachgebessert werden?

Reinsberg: Ach, man kann natürlich immer sagen, es muss noch mehr sein … Andererseits muss man auch realistisch bleiben: Was kann sich der Staat am Ende überhaupt leisten? Das neue Paket heißt bezeichnenderweise „Überbrückungshilfe“, das heißt, es soll helfen, über
das tiefe Tal hinwegzukommen. Nicht mehr und nicht weniger. Und dazu ist das Paket grundsätzlich in der Lage. Entscheidend wird sein, dass es in den nächsten Wochen und Monaten keine weiteren einschneidenden Restriktionen gibt und die Hilfen in 2021 fortgesetzt und ggfs. für die besonders betroffene Veranstaltungs-, Gastronomie- und Tourismuswirtschaft und deren Partner spezifiziert werden.

Getränke News: Zurzeit steigen die Corona-Infektionszahlen stark. Was glauben Sie: Worauf muss sich die Branche in den nächsten Monaten einstellen?

Reinsberg: Der Blick in andere europäische Länder unter anderem mit Sperrstunden und Ausgangssperren macht nicht gerade Mut. Natürlich hoffe ich, dass die Lage nicht eskaliert und wir nicht einen weiteren Lockdown bekommen. Insoweit appelliere ich an die Politik, Augenmaß bei der Festlegung weiterer Maßnahmen walten zu lassen und an alle anderen, nicht aus Gleichgültigkeit oder wirtschaftlicher Not im Alltag leichtsinnig zu werden. Sicherlich ist es sinnvoller, jetzt etwas kürzer zu treten und dadurch wenigstens ein paar Einnahmen zu  erzielen, statt dann über Wochen gar kein Geschäft machen zu können. Das Schlimmste wäre, wenn jetzt noch einmal für vier Wochen die  Lichter ausgehen würden.

Das Interview ist am 28. Oktober 2020 in dem Online-Magazin Getränke News erschienen.

 

No results found.
Offener Brief an Kanzlerin: Gastronomie ist kein Infektionstreiber

Offener Brief an Kanzlerin: Gastronomie ist kein Infektionstreiber

Die Branche ist alamiert: In diesem Moment beraten Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder über schärfere Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Merkel beabsichtigt, den steigenden Infektionszahlen mit einem „Lockdown Light“ entgegenzuwirken. Aus dem Entwurf der Konferenz geht hervor, dass die Einschränkungen fast ausschließlich die Gastronomie- und Veranstaltungsbranche treffen.

Eine breite Branchen-Allianz wendet sich heute in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin. Zentrale Aussage: Das abermals komplette Herunterfahren der Gastronomie- und Veranstaltungsbranche ist unverhältnismäßig. Die Gastronomie ist kein Infektionstreiber – die hohen Hygieneauflagen funktionieren. Das Robert-Koch-Institut bestätigt, dass „nur eine kleine Minderheit der nachvollziehbaren Infektionen“ auf das Konto der Gastronomie gehen. Die Allianz befürchtet, dass die Schließung der Branche die Infektionslage sogar weiter verschärfen könnte, da soziale Kontakte in Privaträume verlagert würden, wo sie nicht kontrolliert werden könnten. „Machen Sie die Gastronomen zu Ihren Partnern, um die so wichtigen Regeln im Kampf gegen Covid-19 gemeinsam mit den Behörden durchzusetzen“, so die Bitte der Branche.

Zu der großen Allianz zählen neben prominenten Gastronomen wie Tim Mälzer und Frank Rosin, Partner der gesamten Wertschöpfungskette, darunter Vertreter der Verbände aus Lebensmitteleinzelhandel, Cash & Carry Großhandel sowie der Lebensmittelindustrie. Für den Getränkefachgroßhandel hat Dirk Reinsberg (BV GFGH) unterschrieben, aus der Getränkeindustrie u. a. Axel Dahm (Bitburger Braugruppe), Christian Gieselmann (Warsteiner Gruppe), Thomas Deloy (Privatbrauerei Gaffel) und Frank Molthan (Coca-Cola).

 

Offener Brief an Kanzlerin: Gastronomie ist kein Infektionstreiber

Bierabsatz: Gutes Wetter lässt Brauer im September durchatmen

Das überwiegend spätsommerliche Wetter im September beschert den deutschen Brauern das zweite Mal in Folge ein Plus im Vergleich zum Vorjahresmonat. Im Inland steigt der Absatz um 1,5 Prozent. Der Bierexport nimmt um starke 6,0 Prozent zu und profitiert vor allem von Ausfuhren in Drittländer. Daraus ergibt sich ein Plus von 2,3 Prozent (171.000 Hektoliter) beim Gesamtbierabsatz. Der Gesamtbierabstaz zeigt wie gewohnt große Unterschiede zwischen den Bundesländern. So erzielt Rheinland-Pflanz/Saarland ein Absatzminus von 7,8 Prozent und Thüringen ein fulminantes Plus von 28,0 Prozent. Biermischgetränke steigen bundesweit um 4,6 Prozent.

Kumuliert reduziert sich der Inlandsbierabsatz einschließlich September 2020 um 4,1 Prozent, die Ausfuhr um 5,1 Prozent und der Gesamtabsatz um 4,3 Prozent. In den Zahlen bleiben alkoholfreie Biere und alkoholfreie Biermischgetränke wie gewöhnlich unberücksichtigt.

Quelle: Statistisches Bundesamt

Gastgewerbe erholt sich im August nur schleppend

Gastgewerbe erholt sich im August nur schleppend

Das Gastgewerbe erholt sich im August im Vergleich zum Vormonat weiter. Das Statistische Bundeamt teilt ein reales Plus von 5,5 Prozent gegenüber Juli mit (nominal 5,4 Prozent). Damit nähert sich das Gastgewerbe in langsamem Tempo seinem Monatsniveau im Vorjahr. Gegenüber 2019 liegt der Umsatz allerdings noch um 22,2 Prozent zurück (nominal minus 17,5 Prozent). Dass nun die kalte Jahreszeit ansteht, beunruhigt vor allem die Gastronomie.

Bei den Beherbergungsunternehmen fällt der Umsatz gegenüber dem Vorjahr real um 22,0 Prozent (nominal minus 19,0 Prozent). Die Gastronomie erzielt ein reales Umsatzminus von 22,3 Prozent (nominal minus 16,7 Prozent), das getränkeintensivere Gaststättengewerbe ein reales Minus von 19,7 Prozent (nominal minus 13,4 Prozent). Die Schankwirtschaften (real minus 46,0 Prozent, nominal minus 40,7 Prozent) sowie die Caterer und sonstigen Verpflegungsdienstleister (real minus 32,9 Prozent, nominal minus 30,6 Prozent) leiden weiterhin am heftigsten.

Kumuliert betrachtet erzielt das Gastgewerbe bis einschließlich August 2020 real 35,0 Prozent weniger als 2019 (nominal minus 32,8 Prozent). Die Beherbergungsunternehmen verzeichnen im selben Zeitraum ein reales Minus von 41,7 Prozent (nominal minus 40,5 Prozent), die Gastronomen ein reales Minus von 31,2 Prozent (nominal minus 28,4 Prozent), die Caterer ein reales Minus von 32,4 Prozent (nominal minus 31,0 Prozent) und das getränkeintensivere Gaststättengewerbe ein reales Minus von 30,8 Prozent (nominal minus 27,7 Prozent). Die Schankwirtschaften erwirtschaften bisher fast nur die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr: realer Umsatzrückgang von 45,5 Prozent (nominal minus 43,0 Prozent).

Quelle: Statistisches Bundesamt

Offener Brief an Kanzlerin: Gastronomie ist kein Infektionstreiber

August bringt erstes Plus beim Bierabsatz in diesem Jahr

Die deutschen Brauer erzielen das erste Mal in diesem Jahr ein Plus im Vergleich zum Vorjahresmonat: Im Inland steigt der Absatz um 2,2 Prozent (151.181 Hektoliter). Der Bierexport nimmt um 1,2 Prozent zu. Daraus ergibt sich ein Plus von 2,0 Prozent beim Gesamtbierabsatz. Die Zahlen deuten jedoch auf keine Erholung der Krise bei den Brauern hin, betrachtet man das desaströse Absatzminus von 11,4 Prozent im August 2019 mit dem die aktuellen Zahlen verglichen werden. Die Mehrheit der Deutschen haben Corona-bedingt zwar im Inland Urlaub gemacht und auch das Wetter war trocken und mild – dennoch bleiben die Absätze im Eventbereich aus und machen den Brauern zu schaffen. Der Gesamtbierabstaz zeigt wie gewohnt große Unterschiede zwischen den Bundesländern. So erzielt Hessen ein Absatzminus von 9,5 Prozent und Thüringen ein starkes Plus von 11,3 Prozent. Biermischgetränke steigen bundesweit um 13,9 Prozent.

Kumuliert betrachtet reduziert sich der Gesamtbierabsatz einschließlich August 2020 um 5,1 Prozent, die Ausfuhr um 6,4 Prozent sowie der Inlandsabsatz um 4,8 Prozent. In den Zahlen bleiben alkoholfreie Biere und alkoholfreie Biermischgetränke unberücksichtigt.

Quelle: Statistisches Bundesamt