Die Corona-Krise hat den Getränkemärkten Rekordumsätze beschert. Woran das liegt und welche Revolution die Getränkefachmarkt-Branche in den zurückliegenden Jahren erlebt hat, erklärt Branchenkenner Georg Gorki.

Der Getränkekonsum außer Haus ist durch Corona und insbesondere während der Lockdowns stark zurückgegangen. Stattdessen haben die Deutschen daheim mehr getrunken – und dafür verstärkt im Getränkemarkt eingekauft. So lässt sich die Branchenentwicklung des vergangenen Jahres knapp zusammenfassen: Der Getränkefachmarkt ist Corona-Gewinner!

Der Verband des Deutschen Getränke-Einzelhandels (VDGE) vermeldet für das Geschäftsjahr 2020 ein überdurchschnittliches Umsatzwachstum. Im Gegensatz zum Getränkefachgroßhandel, der die Gastronomie beliefert und dem durch Corona die Absatzmärkte weggebrochen sind, präsentiert der VDGE überaus positive Zahlen: Die 25 operativ tätigen Mitgliedsunternehmen konnten mit einem Gesamtumsatz in Höhe von 2,55 Milliarden Euro das bereits sehr gute Vorjahresergebnis nochmal um 17,7 Prozent steigern. Das ist laut Verband ein neuer Umsatzrekord. Doch warum haben gerade die Getränkemärkte so deutlich von Corona profitiert?

Getränkefachhandel hat bei Mehrweg die Nase vorn

Ein wichtiger Grund heißt „Mehrweg“: Immer mehr Verbraucher greifen wieder eher zu Mehrweg-Gebinden als zu Einweg-PET-Flaschen. Besonders die Glasflasche hat hier die Nase vorn. Wie die Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke (wafg) berichtet, steigt bei alkoholfreien Getränken im Haushaltskonsum weiterhin der Mehrweg-Anteil im Jahr 2020 nach den Erhebungen von GfK Consumer Panel FMCG. Damit setzt sich der Trend zu einem wieder wachsenden Mehrweganteil bei alkoholfreien Getränken auf Grundlage der GfK-Daten fort (2020: 25,6 Prozent, 2019: 24,2 Prozent). Der Einweganteil ist entsprechend rückläufig (2020: 74,4 Prozent, 2019: 75,8 Prozent). Eine Bastion für Mehrweg-Flaschen bleibt weiterhin der Biermarkt: Die Mehrwegquote am Bier-Inlandsverbrauch lag laut einer Erhebung des Umweltbundesamtes für 2018 (= neueste verfügbare Daten) bei 79,5 Prozent. Dieser Mehrweg-Trend bei Getränken verschaffte den gut sortierten und Mehrweg-orientierten Getränkemärkten zuletzt ein deutliches Plus.

Schnell und sicher einkaufen: Getränkemärkte als Corona-Gewinner

Ein weiterer Aspekt, warum der Getränkefachmarkt als Corona-Gewinner profitiert hat: Die Getränkemärkte waren in Pandemie-Zeiten weniger überfüllt als Supermärkte oder Discounter. Dadurch fühlten sich die Kunden wohler und sicherer. Auch ein meist großzügiges Parkplatzangebot und intelligent geführte Einkaufswege gewährleisteten einen zügigen und sicheren Einkauf. Diese Vorteile will der VDGE auch nach der Krise stärker als bisher nutzen und im Zuge einer nationalen Imagekampagne „Pro Getränkefachmarkt“ bewerben.

Geschlossene Gastronomie = mehr Bier zu Hause. Auf diese einfache Gleichung lassen sich die letzten Monate bringen. Dass insbesondere der Bierkonsum in den eigenen vier Wänden während Corona stark zugenommen hat, beobachtet auch Branchenkenner Georg Gorki, der als Einkaufsleiter seit 25 Jahren in der Getränkebranche zu Hause ist. Wobei es laut Gorki hier auch regionale Unterschiede gab: Im Süden sei eindeutig das Flaschenbier der Corona-Gewinner schlechthin. Im Norden und Osten habe es dagegen große Zuwächse bei Sekt und Spirituosen gegeben. „Außerdem haben die Verbraucher gezielt nach regionalen Spezialitäten gesucht und gerne auch mal was Neues ausprobiert“, so seine Erfahrung. Dass die Verbraucher in Corona-Zeiten das MiniKEG für den Frisch-gezapft-Genuss zuhause zu schätzen wussten, kann Georg Gorki nachvollziehen. „Allerdings laufen die Partyfässer eher im Supermarkt oder Discounter – im Getränkemarkt liegt der Fokus stärker auf Mehrweggebinden“, weiß der Experte, der selbst viele Jahre als Getränke-Manager im LEH tätig war.

Trend hin zu „Erlebnismärkten“: Getränkefachhandel geht neue Wege

Grundsätzlich hält Gorki die positive Situation der Getränkefachmarktbranche nicht für eine Corona-Momentaufnahme, sondern betont die anhaltend positive Entwicklung. Denn bereits in den letzten Jahren habe der Getränkefachmarkt eine Revolution erlebt. Die „Hinterhof-Garage als Getränkelager und Verkaufsstätte“, wo der Inhaber „mittels Bauchgefühl das Produktsortiment bestimmt“, habe längst ausgedient. „Der Trend geht hin zu attraktiven Erlebnismärkten, die dem Kunden eine Wohlfühlatmosphäre sowie ein umfassendes und abgestimmtes Sortiment bieten“, erklärt Gorki. Dahinter stünden ein ausgeklügeltes Warenwirtschaftssystem und eine effiziente Logistik. Dadurch setze man sich deutlich von den Getränke-Verkaufsflächen im LEH ab und biete den Kunden einen echten Mehrwert. Georg Gorki ist daher optimistisch: „Die gute Entwicklung in den letzten vier bis fünf Jahren hat dem Getränkefachmarkt starken Rückenwind gegeben. Ich bin sicher, dass diese auch nach Corona weiter anhält.“

Der Verband des Deutschen Getränke-Einzelhandels e.V. (VDGE) vertritt die Interessen von rund 2.350 und damit knapp 30 Prozent der insgesamt ca. 8.000 Getränkefachmärkte in Deutschland. Dabei erwirtschaften die mittelständisch geprägten und regional stark verwurzelten Mitglieder mit über 2,55 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr rund 45 Prozent des Gesamtumsatzes aller Getränkefachmärkte.

Georg Gorki ist seit Jahrzehnten einer der angesehensten Getränkeeinkäufer im Handel. Nach Stationen bei Bündig, Tegut und KaDeWe wurde Gorki 1998 Bier-Einkäufer bei Lidl. Später wechselte er zu Kaufland, wo er zwischenzeitlich Kaufland Rumänien steuerte. Seit 2018 steht der Getränke-Manager in Diensten der Radeberger-Gruppe, wo er 3,5 Jahre lang als Einkaufsleiter von Getränke Hoffmann tätig war. Seit 1. Mai 2021 fungiert er als Sprecher der Geschäftsführung der Beveco, einer der größten Einkaufsplattformen im Segment der Getränkeabholmärkte.

Der Beitrag ist am 07.06.2021 im Blog unseres Fördermitglieds ENVASES erschienen.