Die 450 Millionen Menschen in der Europäischen Union produzieren rund 15 Prozent der weltweiten Flaschen, Tüten und Tuben aus Plastik. Die EU liegt damit nach Asien und den USA auf Platz drei. Gemeinsames Ziel muss es sein, dass der wachsende Müllberg kleiner wird und die Wiederwendung – also Mehrweg- einen höheren Stellwert erlangt. Wiederverwendung vor Recycling.

Anfang August startete in Genf erneut Verhandlungen über ein weltweites UN-Abkommen gegen Plastikmüll. Unterhändlerinnen und Unterhändler von bis zu 180 Staaten beraten seitdem über Wege, die Vermüllung des Planeten durch Plastikabfälle zu stoppen. Ein mögliches Abkommen soll im kommenden Jahr unterzeichnet werden. Rückstände der extrem langlebigen Plastikverschmutzung werden mittlerweile in den entlegensten Weltgegenden und in praktisch jedem Teil des menschlichen Körpers nachgewiesen. Die Auswirkungen auf die Gesundheit sind bisher ungeklärt, da es sich um ein neues Forschungsfeld handelt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mahnen jedoch, dass schon jetzt Schritte gegen mögliche Gesundheitsrisiken ergriffen werden müssten. Das Institut für Globale Gesundheit in Barcelona teilte mit Blick auf das Genfer Treffen mit, dass „politische Entscheidungen nicht auf vollständige Daten“ zu den Gesundheitsrisiken von Mikroplastik warten könnten.

Bayern setzt deutliches Zeichen gegen den Klimaschutz

Vor diesem Hintergrund ist es umso unverständlicher, dass Bayern gerade jetzt den Kommunen im Freistaat mit einem neuen Gesetzesbeschluss untersagen will, eigene Verpackungssteuern einzuführen. Und das, obwohl bayerische Städte wie München, Nürnberg und Würzburg genau das gerade prüfen.

Gemeinsam mit Pro Mehrweg, dem Arbeitskreis Mehrweg und der Initiative Reusable To-Go, in deren Initiativbeirat die anderen mitzeichnenden Akteure vertreten sind, spricht sich der BV GFGH entschieden gegen das geplante Verbot kommunaler Verpackungssteuern in Bayern aus. Ein solches Verbot entzieht Kommunen ein rechtlich zulässiges, praxiserprobtes und wirtschaftlich tragfähiges Steuerungsinstrument, das mit Blick auf seine Lenkungswirkung für den erfolgreichen Ausbau von Mehrwegangeboten im Außer-Haus-Konsum von zentraler Bedeutung ist.

Die neue EU-Verpackungsverordnung hat das Ziel, Abfallvermeidung und Mehrwegsysteme gezielt zu stärken. Darüber hinaus haben sich kürzlich zahlreiche europäische Städte, darunter Paris, Brüssel und Tallinn, in einer gemeinsamen Stellungnahme dafür ausgesprochen, kommunale Abfallvermeidungsmaßnahmen durch stärkere gesetzliche und finanzielle Rahmenbedingungen zu unterstützen.  Vor diesem Hintergrund wäre das geplante Verbot kommunaler Verpackungssteuern in Bayern nicht nur ein regionaler Rückschritt, sondern stünde auch im deutlichen Widerspruch zur europäischen Zielrichtung.

Wirksames Instrument zur Abfallvermeidung

Die kommunale Verpackungssteuer ist weder eine Bagatellsteuer, noch geht sie mit einer übermäßigen bürokratischen Belastung der Stadtverwaltung oder der vor Ort ansässigen Betriebe einher. Dies zeigen unter anderem Erfahrungsberichte aus den Städten Tübingen und Konstanz.

Tübingen erzielte im ersten Jahr Steuereinnahmen von rund 1 Million Euro bei lediglich rund 100.000 Euro Verwaltungskosten. In Konstanz, in der eine kommunale Verpackungssteuer seit Anfang dieses Jahres in Kraft ist, werden aktuell jährlichen Einnahmen in Höhe von 600.000 Euro prognostiziert. Diese Beispiele widerlegen deutlich die Einstufung als „Bagatellsteuer“.

Die Müllmenge im öffentlichen Raum konnte in Tübingen deutlich reduziert werden. Experten schätzen, dass die Einführung einer Verpackungssteuer zu einem Mehrweganteil von rund 50 % führt. Dies schlägt sich auch in den Entsorgungskosten nieder. Vor Einführung der Verpackungssteuer lagen die städtischen Entsorgungskosten für Einwegverpackungsabfälle im öffentlichen Raum der Stadt Tübingen bei rund 700.000 Euro jährlich.

Das häufig vorgebrachte Argument der hohen zusätzlichen Bürokratie für die Stadtverwaltungen lässt sich nach den Erfahrungen aus Tübingen und Konstanz nicht bestätigen. In Tübingen wurde die Erhebung der Steuer prozessual effizient ausgestaltet. Zukünftig ist eine Bearbeitung mit nur 0,5 Vollzeitstellen vorgesehen. In der Startphase wurde die Einführung der Steuer über ein abteilungsübergreifendes bestehendes Projektteam abgedeckt.

Belastung bleibt überschaubar – Praxisbeispiele machen es deutlich

Kommunale Verpackungssteuern stellen keine unzumutbare Belastung für die Gastronomie dar. Die Steuer wirkt gezielt dort, wo viele Einwegverpackungen eingesetzt werden. Betriebe können dies einfach umgehen, indem sie ihren Kunden Mehrwegalternativen anbieten und deren Nutzung attraktiv gestalten und bewerben.

Einen negativen Effekt gibt es nach Erfahrungsberichten aus den Städten Tübingen und Konstanz nicht:

  • In Tübingen fällt für gut ein Drittel der Betriebe überhaupt keine Verpackungssteuer an, da sie keine Einwegverpackungen verwenden oder vertreiben.
  • In Tübingen kam es zu keinen bekannten Geschäftsaufgaben oder Abwanderungen aufgrund der Steuer.
  • In Konstanz bewegen sich vorgetragene Umsatzrückgänge einzelner Betriebe auf gleicher Höhe wie in Städten ohne Verpackungssteuer.

Grundsätzlich betrifft die Verpackungssteuer Betriebe stärker, die derzeit noch vermehrt auf Einwegverpackungen setzen. Dies betrifft zum einen kleine Verkaufsstellen wie Imbisse und Kioske, zum anderen die Systemgastronomie. In beiden Bereichen ist die Umstellung auf Mehrwegsysteme gut umsetzbar.

  • Im Gegensatz zu den deutschen Filialen bieten französische McDonalds-Filialen beispielsweise längst flächendeckend Mehrwegverpackungen auch für Speisen an.
  • Kleine Verkaufsstellen können bei der Nutzung von Mehrwegbehältern in übergeordnete Systemmanagementstrukturen eingebunden werden, die u. a. eine koordinierte Rücknahme, Spülung und Verteilung von Mehrwegbehältern sowie eine faire Kostenverteilung ermöglichen. Die Initiative Reusable To-Go bietet Kommunen Beratung und Unterstützung beim Aufbau eines solchen Systems an.

Auch die mit der Verpackungssteuer verbundene zusätzliche Bürokratie für Betriebe kann durchaus einfach ausgestaltet werden, wie das Tübinger Beispiel zeigt. Formulare sind kurz und einfach gehalten, rückfragen der Stadtverwaltung minimal, eine genauere Prüfung muss in der Mehrheit der Fälle nicht stattfinden und der Nachweis vorhandener Buchhaltungsdaten und -dokumente reicht dazu in der Regel aus.